Parabel von der Besteigung des ex , die nicht wahr sein kann, weil man nicht weiß, wer sie erzählt

Von Philipp Catterfeld


Es war einmal ein Bergsteiger. Der wollte den Berg ex besteigen. Niemand hatte das je gewagt. Auch wusste keiner wie hoch der Berg ex wirklich war. Keiner konnte sich vorstellen, dass es überhaupt möglich war, den Berg ex zu besteigen und lebend wieder herabzusteigen. Doch der Plan der Besteigung war so ungeheuerlich, dass es auch keiner wagte, den Bergsteiger aufzuhalten.

Am Fuße des Berges ging es noch ganz gemächlich hoch. Der Aufstieg schien erst mal nur einer langen Wanderung zu gleichen. Und doch ging es immer bergauf. Und doch wurde der Weg mit jedem Schritt steiler. Etwa auf halber Höhe kam der Bergsteiger durch eine wunderschöne und reiche Stadt. Und Tage später durch eine Stadt, die noch viel schöner und reicher war als die erste. Und dann, der Weg war schon sehr steil geworden, gelangte er zu einer Stadt, die so schön und so reich war, dass sich der Bergsteiger keine Steigerung dieser Schönheit und dieses Reichtums mehr vorstellen konnte. In dieser Stadt erläuterte er den Stadtoberen seinen Plan und bat sie die Zeugen seiner Besteigung zu sein. Sie sollten ihn durch die größten und schönsten Ferngläser bei seiner Besteigung beobachten, um so seinen Ruhm für die Nachwelt und für die, weiter unten am Berg lebten, festzuhalten. Die Stadtoberen legten die Stirnen in Falten, wiegten die Köpfe hin und her, doch sie wagten es nicht, den Bergsteiger aufzuhalten, denn so ungeheuerlich war sein Plan. "Ja, wir wollen dich beobachten," sagten sie, rieten ihm aber zu größter Vorsicht. Auch um ihretwillen, denn der Gipfel des ex befand sich fast senkrecht über der Stadt.

Wieder machte sich der Bergsteiger also auf zu einer neuen Etappe. Bald befand er sich in einem Gelände, in dem noch nie jemand vorher gewesen war. 88,5 Grad ragte der ex in die Höhe. Doch seinen Gipfel konnte man noch nicht erkennen. Selbst Tage später hatte sich in dieser senkrechten Landschaft kaum etwas verändert. Nur die Luft wurde immer dünner.

Dann aber hatte der Bergsteiger das Gefühl, er könnte den Gipfel erblicken. In diesem Moment löst sich unter seinem Fuß ein kleiner Stein, so groß wie eine Münze. Doch der Bergsteiger merkte nichts davon, zu sehr zog ihn der Anblick dessen in Bann, was er für den Gipfel hielt. Der kleine Stein aber - fast schon im freien Fall an der fast senkrechten Wand hinab - riss andere Steine mit, die größere Steine mitrissen und größere, die Bäume mitrissen und Pflanzen und alle Tiere und die reichste Stadt mit den schönsten und größten Ferngläsern und die fast reichste und die reiche. Ein riesiger Lawinenstrom floß den Berg ex hinab, oder war nicht der Berg dieser Strom? Man weiß es nicht. Man weiß auch nicht, ob der Bergsteiger sein Ziel erreicht hat. Niemand hatte ihn je wieder gesehen. Die Bewohner der schönsten und reichsten Stadt, aber auch alle anderen, alle sind tot.




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